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Hisoka OPM-Urgestein
Beiträge : 2349 Kopfgeld : 2294476 Dabei seit : 13.07.11 Ort : Knoten des Wahnsinns
| Thema: Schlaf (One-Shot) Mi 4 Jul - 20:50 | |    
| Ein klitzekleiner One Shot, extra für euch :3 Sry ich weiß es ist anstrengend zu lesen, aber das Forum versaut immer die Formatierung ^^ Narzissenrot:- Spoiler:
Eine wunderbare Farbe. Rot. Nicht rot wie eine im Garten vor sich hin wachsende rote Rose, das sanft fließende Blut, oder den in wunderbaren Rebstöcken entstehenden Wein. Sondern Rot wie ein Narziss. Mag sich manch einer fragen was ein Narziss ist, eines ist gewiss: Tanakeru Sozome kann zu ihnen gezählt werden. Er regte sich unwirsch in seinem mit einer roten Decke überzogenen Bett, war noch nicht bereit, sich von den Fesseln des Schlafes zu lösen, die ihn eisern umgaben. Es waren wunderbare, weiche Fesseln, und zugleich dornig und verletzend wie ein Rosenbeet, wenn er sich von ihnen löste. Verwünschungen an seinen Arbeitgeber murmelnd stieß er die Decke zurück, und richtete sich auf. Selbstverliebt betrachtete er seinen fast nackten Körper im durch das halboffene Fenster einfallende Morgenlicht, besah die harmonisch verlaufenden Muskeln, die Haut, glatt wie Elfenbein. Er lächelte, und verließ das Schlafzimmer, während seine Frau das Kissen dichter an sich zog, und ihre Augen geschlossen hielt. Sollte sie doch weiterschlafen, sie würde erst in 2 Stunden an ihrem schlecht bezahlten Arbeitsplatz zu erscheinen haben. Wie tausende andere Japanerinnen ihres Alters fristete sie ihr Leben an einem Schreibtisch...der Fluch der Dienstleistungsgesellschaft. Tag für Tag setzte sie ihr falsches Lächeln auf, und erklärte den Kunden, wie unverzichtbar eine Versicherung für dieses und jenes in der heutigen Zeit sei. Ihn interessierte nicht weiter, was genau sie dort tat, oder was sie ihren Kunden erzählte. Solange sie ihn befriedigte, erfüllte sie ihren Nutzen. So hatte er es bislang mit allen Menschen in seinem Leben gehalten, wenn auch auf eine andere Art. Er erinnerte sich an seine Mutter, eine sehr schwache, sensible Frau, die glücklich schien, solange er es war. Sie tat alles für ihn, was er ihr mit Verachtung honorierte. Während alle anderen in seinem Umfeld sie für ihre Liebe zu ihren Kindern respektierte und bewunderte, sah er es als Zeichen der Schwäche. Schon mit 12 Jahren hatte er ganz genau gewusst, wie er von ihr bekam was er wollte. Ein einziger Blick auf ihn, und seine kleinen Augen, und sie gab nach, ganz egal was sie zuvor gesagt und er gefordert hatte. Das war die Art, wie Tanakeru alle Menschen in seinem Leben behandelte. Wieso auch nicht? Schließlich hatte sein Vater, als dieser während Tanakerus 9. Lebensjahr seinen Drängen in die Ferne folgte, auch nicht anders gehandelt. Auch er hatte seine Frau benutzt und sie schließlich fallen gelassen. Tanakeru hatte dieses Verhalten teilweise übernommen. Wenn er keine Lust hatte, meldete er sich wochenlang nicht bei seiner Mutter, die ihn dann meistens mit vor Tränen erstickter Stimme anrief und sich nach seinem Wohl erkundigte. Es bereitete ihm kein Vergnügen, sie so zu behandeln. Doch nur so war er sich sicher, ihre Liebe für ihn dauerhaft zu erhalten, das war der einzige Weg, damit sie ihn niemals vergessen würde. Er verzog das Gesicht als ihm etwas vom Inhalt seiner gerade geöffneten Cola Dose entgegenspritzte. Angewidert wischte er die bräunliche Flüssigkeit aus seinem Gesicht, und setzte an zu trinken. Er genoss es, wie die das kühle Getränkt seine Kehle herunterrann, und ihn mit Ruhe erfüllte. Ohne eine Dose Cola am Morgen, so sagte seine Frau, war er ein unausstehliches Miststück. Dies hatte er zum Anlass genommen, sich jeden Tag einen Sechserpack zu Gemüte zu führen. Abermals entglitten seine Gesichtszüge, als er mit den nackten Füßen in eine kleine Pfütze vor dem Kühlschrank trat. Schnell zog er sie zurück und sah erleichtert aus, als er feststellte, dass es nur Wasser war. Dennoch ärgerte er sich über seine Frau und ihre Unfähigkeit, eine Flasche zu öffnen ohne die Hälfte des Inhalts zu verschütten. Nach einigen kräftigen Zügen setzte er die Dose ab, und begab sich ins Bad, wo seine Frau vor dem Spiegel stand. Sein Blick fiel auf ihr blasses, zierliches, aber sehr schönes Gesicht, ihren wohlgeformten Körper. „Wieso bist du schon auf? Die Versicherungsgesellschaft öffnet erst in 2 Stunden, oder nicht?“ Sie lächelte und strich ihm durch die kurzen schwarzen Haare. „Das stimmt schon, aber heute morgen ist eine ziemlich wichtige Konferenz. Herr Shimura entscheidet, wer befördert wird, seinen Job behält, oder entlassen wird.“ „Ich mag den alten Mistkerl nicht.“ „Der alte Mistkerl ist aber der einzige Grund weshalb wir uns dieses Haus noch leisten können, Liebling. Ich finde es ja toll, dass du als Schriftsteller arbeitest, aber von einem Verkauf alle paar Monate können wir nicht leben.“ Er lachte und kratzte sich am Kopf. „Das stimmt allerdings, ich sollte mir wohl demnächst etwas festeres suchen.“ Blöde Kuh. Verdammte ordinäre dumme kleine Hexe. „Schön, dass du nicht sauer bist. Ich sage ja auch nicht dass du es aufgeben sollst, aber alleine davon...das geht einfach nicht mehr.“ Wie sehr wollte sie es ihm denn noch verdeutlichen? Er konnte ihr selbstgefälliges Geschwätz nicht mehr ertragen, ihre hohlen Phrasen, die stetig versuchten, Löcher in seinen Verstand zu bohren. „Nun ja, ich bezweifle dass das Gehalt das Shimura dir zahlt in der Zukunft ausreichen wird. Soviel ist es nun auch nicht.“ Da lachte sie, es sollte wohl ein erfreutes, überraschendes Lachen sein, doch in seinen Augen klang es wie der geifernde, hysterische Spott einer alten Hexe. Ich liebe dich nicht. Ich habe dich nie geliebt, ich werde dich nie lieben. Ich hasse dich du selbstgefälliges Miststück. „Was ist so lustig?“ Natürlich wusste er die Antwort bereits. „Ich werde aller Wahrscheinlichkeit nach befördert! Das hat er mir jedenfalls nach der letzten Konferenz vor drei Wochen verraten. Er ist mit meiner Arbeit sehr zufrieden!“ Er stellte sich vor, wie der alte Mann sie dabei beobachtete, wie sie einen heruntergefallenen Stift aufhob, wobei sie unfreiwillig ihren Unterleib enthüllte. Der alte würde ein lüsternes Grinsen aufsetzen. Was sie wohl getan hatte um befördert zu werden? Ab und an ihre Unterwäsche zu zeigen, hätte einem wie Shimura nicht gereicht. Womöglich tat sie es mit ihm...alle paar Tage, alle paar Wochen...oder gar jeden Tag? Vor Tanakerus innerem Auge sah er, wie sie grinsend in Shimuras Büro verschwand. Es schüttelte ihn vor Ekel und Verachtung. Der Gedanke, dass der Körper den er jede Nacht an sich spürte, einem anderen gehörte, und von diesem berührt worden war, widerte ihn an. Seine Lippen lösten sich von ihren....und eilig verließ er das Bad, ging in das Schlafzimmer, und zog sich um. Wenige Minuten später stapfte er missmutig durch den verregneten Tag. Die Straßen waren leer, nur hin und wieder eilten einige Menschen mit bis tief ins Gesicht gezogener Hut Krempe an ihm vorbei, und verschwanden in der tiefen Bedeutungslosigkeit dieses Tages, der wie jeder andere war. Während die Wassertropfen an seinen Haarspitzen herabliefen, dachte er daran, dass er eigentlich in seinem Wohnzimmer am Laptop sitzen, und an dem großen japanischen Roman, den er verfassen wollte, arbeiten sollte. Ein sozialkritisches Werk, das die Herzen der Menschen berühren und aufwühlen würde. Aber es gelang ihm nicht so Recht, sich für diesen Mist zu erwärmen. Gott alleine wusste, was die Menschen mit solchen Themen wollten. Doch es verkaufte sich, und daher hatte er den Entschluss gefasst, darüber zu schreiben. Wenn ihm dann erst der Literaturnobelpreis überreicht werden würde, würde seine dumme Frau still sein, und mit gesenktem Kopf an ihren Schreibtisch hoch oben in ihrem blöden Kopf zurückkehren und kleinen rosa Männchen Versicherungen ausstellen. Wieso dachte er so einen Unsinn? Im nächsten Moment wusste er, dass er seiner Frau weh tun wollte. Hatte sie es nicht verdient? Wie sie ihn heute Morgen angesehen hatte....er spürte noch immer ihren bohrenden, höhnischen Blick im Nacken. In seinen Gedanken war sie eine vertrocknete Rose , deren abfallende Blüten voller Neid nach seinen prächtigen weißen Rosenblättern starrten, und ihnen mit ihren Ranken das Wasser aus dem Leib saugen wollte. Wie konnte er die Dornen stutzen? Eine Gartenschere würde ihm nicht behilflich sein. Er gab sich selbst die Antwort, als er vor dem Haus seiner Ex Affäre stand. Niomi Takada....seine Frau kannte sie und wusste von ihrer kurzen Affäre mit ihm, doch aus Liebe hatte sie darüber hinweggesehen. Ob es ihr diesmal ebenso leicht fallen würde? Seine Frau wandelte sich vor seinem inneren Auge zu einem Kokon, der sich ängstlich vor einer großen, mit Stacheln bewehrten Spinne versteckte. In einem geradezu sukkubischen Spiel, umkreiste die unförmige Spinne den Kokon, bereit ihren Wurmfortsatz in eine Lücke zu bohren. Tanakeru löste sich aus Niomis Umklammerung und küsste sie ein weiteres Mal auf die Stirn. Zu seiner Verwunderung hatte sie so gar nichts von einer Spinne. Ihm mochte aber kein anderer Begriff einfallen, also wurde sie ins einer kruden Gedankenwelt zu einem unförmigen runden Ding. „Wem oder was habe ich deinen Besuch zu verdanken Tanakeru? Beim letzten Mal hast du mir entgegengeschrien „Du zerstörst meine Ehe nicht, du dreckige Hure.“ War es nicht so?“ Dumm war sie nicht, vergesslich auch nicht. Tanakeru hasste intelligente Frauen, intelligente Huren wie Niomi waren ihm jedoch weitaus mehr verhasst. Er stellte fest, dass er Frauen allgemein nicht besonders gut leiden konnte. Was nicht hieß, dass er seinem eigenen Geschlecht auch nur etwas halbwegs positives hätte abgewinnen können. Alle Männer außer seiner Wenigkeit waren dumme, nervende, laute, gröhlende Ignoranten, ohne jeden Sinn für Kunst und Kunstfertigkeit. Sie verstanden seine geradezu virtuose Art des Schreibens einfach nicht. Narren. „Ich weiß es nicht. Ich wollte einfach deine zarte Haut an mir spüren, meine Liebe. Ich hoffe du siehst es mir nach.“ Sie verengte ihre Augen zu Schlitzen und schob ihn etwas von sich weg. „Bilde dir bloß nichts ein. Ich habe keine Gefühle mehr für dich, das hier hat nichts zu bedeuten. Heul dir deinen Kummer über deine Frau woanders aus der Seele, du hattest deine Chance.“ Da war es, das unförmige runde Ding. Geifernd hing es über ihm, die wirren Konturen erstreckten sich bis in das tiefste Nichts. Friede stand in schwarz auf der Stirn des Dings geschrieben. Scheiß Ding. Er verlor sich in der Illusion des Alltags. Die Schatten umklammerten ihn, er war eine weiße Rose in einer roten Welt. Und alle um ihn herum lediglich ekelhafte, unförmige runde Dinger. Wieso existierten sie an seiner Seite? Die Welt sollte ihm alleine gehören, niemand sonst besaß ein Recht auf sie. Doch die Dinge bohrten nach ihm, und wühlten sich durch seinen Verstand. Sie durchbrachen den Schutzwall und nahmen ihn für sich ein. „Du bist eine gute Lügnerin. Wie kann es sein, dass du nichts für mich empfindest, wenn du einfach nicht von mir lassen kannst?“ Sie sah ihn an, als verstehe sie seine Frage nicht, er wusste dass sie es tat. „Baby, hast du das Prinzip einer Hure noch nicht verstanden?“ „Eine Hure existiert um Männer zu befriedigen.“ „...Verschwinde.“ Er trat durch die nach wie vor regnerischen Straßen seinen Heimweg an, zu seiner Frau. Er wollte nicht wissen ob sie befördert worden war, und ob sie dafür mit ihrem Vorgesetzten geschlafen hatte oder nicht. Er schritt wie durch eine Nebelwand, die an den Seiten immer enger wurde und ihm keinen Raum ließ. Sie schnürte sich um ihn wie eine Schlange, die ihren Leib an ihn presste. Rosenmänner gingen vor ihm, rote und weiße,stolz gingen sie vor ihm her, mit ihren wunderbaren, tiefroten Blütenblättern. Er dagegen war zu einem kleinen Veilchen verkümmert, seine Blütenblätter ergaben sich der erdrückenden Last der Welt. Als sich die Illusionen lichteten, stand er im Eingang seines Hauses, seine Frau starrte ihn an. „Wo warst du.“ „Ich habe mit Niomi geschlafen.“ Sie sagte nichts. Kein Wortschwall der Entrüstung, kein Aufschrei, keine Hände die sich vor ihren Mund legten. Sie war so unberechenbar. Sie sah betreten zu Boden, während sie ihm den Mantel abnahm und aufhängte. „Ich habe Miso Suppe gemacht....möchtest du sie jetzt essen?“ Hatte er ihr schon genug weh getan? Oder sollte er ihr sagen, dass ihm ihre Suppe nicht schmeckte, um sie noch mehr zu kränken? Er beschloss, es gut sein zu lassen, und folgte ihr nach einem knappen Nicken in die Küche.
Schweigsam saßen sie sich gegenüber, lustlos stocherte sie in der Reisschale herum, während er ein Glas Sake trank. Natürlich wusste sie nicht, was sie in einer solchen Situation sagen sollte. Er hatte ihr gerade unumwunden eine Affäre gestanden, das war für jede Frau ein herber Schock. Er beschloss sie zu testen, seine glanzlosen Augen ruhten auf ihrem Gesicht. „Es war schön mit Niomi, ich habe mich so geborgen gefühlt...“ Er schob sich eine kleine Menge Reis in den Mund und beobachtete sie dabei, wie sie zu Boden sah. Offensichtlich war es ihm gelungen sie zu verletzen. Tat sie ihm jetzt leid, empfand er Mitgefühl für sie? Nein. Doch er würde es jetzt gut sein lassen. Trotz seiner Unfähigkeit, Rücksicht auf ihre Gefühle zu nehmen, war er kein Sadist. Ihre Haare hingen ihr ins Gesicht, er fragte sich, wie lange sie noch mit der Vorstellung zu kämpfen haben würde. Ihr Gesicht...wie hatte er es mit dieser langsam zerlaufenden Maskerade nur ausgehalten. Ihre Züge verschwammen vor seinem inneren Auge, sie verliefen zu einem konturlosen schwarzen Klumpen, dem ein blauer Steifen aus dem Auge rann. Dieses Ding sollte seine Frau sein? Ekelhaft, entsetzlich. Sie sah ihn verwirrt an, deutete seinen Ekel wohl als Verwunderung, was ihr Gesicht aber nur noch mehr zusammensacken ließ. Eilig stand er auf, schob seinen Stuhl an den Tisch, und verließ den Raum. Sie starrte ihm hilflos hinterher, hob die linke Hand, ließ sie wieder sinken und schüttelte enttäuscht den Kopf.
Er saß auf dem Bett und betrachtete ein Bild, das sie an ihrem Hochzeitstag dort aufgehängt hatten. Die alte Frau, die mit ihrem Enkel spielte, lächelte ihn an. Weshalb bannte der Maler falsche Fröhlichkeit auf das Bild? Es war ihm ein Rätsel. Tanakeru lachte leise, und sah sie wieder, die Rosenmänner. Sie standen im Halbkreis um das Gemälde, ihre Dornen wiesen in seine Richtung.
Sein Lachen wurde lauter, er griff ein Messer aus der Schreibtisch Schublade, in der Nähe seiner Betthälfte, und war bereit die Rosen zu stutzen. Weshalb lebte er, sein Leben war absolut nichts wert. Ein einziges Stück Abfall. Andererseits.....er hatte es nicht mehr und nicht weniger verdient als alle anderen zu leben. Und wenn er schon nicht glücklich werden konnte, so war es ihm doch vergönnt, anderen die Lebensfreude durch seine bloße Existenz zu verbergen. Er legte sich aufs Bett, und versuchte zu schlafen, die Rosenmänner zu vergessen. Es interessierte ihn nicht, ob sie real waren, oder er auf dem besten Wege war, wahnsinnig zu werden. Morgen würde er nicht mehr zu Niomi gehen, das wusste er. Sie würde ihn wohl auch gar nicht mehr in ihr Haus lassen, schließlich hatte er ihr deutlich zu verstehen gegeben was er von ihr hielt. Er schlief mit dem Vorsatz ein, sich bei seiner Frau zu entschuldigen. Sie kochte besser, wenn sie frohen Mutes war.
Am nächsten Tag wusste er, dass man ihr gekündigt hatte. Sie lag wie ein Häufchen Elend in ihrem Bett, die Arme um das Kissen geschlungen, die schwarzen Haare wild im Gesicht verteilt. Sie erschien ihm wie ein Neugeborenes im Schoße seiner Mutter, vollkommen hilflos und verzweifelt. Es enttäuschte ihn, dass nicht seine Affäre die Ursache ihres Schmerzes war. Irgendetwas in ihm sagte, er solle sie trösten, ihr die Hand auf den Kopf legen und ihr durchs Haar streichen. Doch andererseits war ihm dies zuwider, derartige Gefühle, wie Mitleid und Mitgefühl lagen ihm nicht. Er beobachtete sie, besah das weiße Kissen, befleckt von ihren Tränen, die sie in der Nacht vergossen hatte. „Ich werde nicht noch einmal mit ihr schlafen, glaub mir bitte...“ Sie zuckte zusammen, sie war also wach. Tanakeru verlor das Interesse an ihr, richtete sich auf und begann seinen Anzug zusammen zu suchen. Gerade in dem Moment, in dem er seine Krawatte zurecht band, drehte sie sich um, sie strich sich die Haare aus dem Gesicht und sah ihn direkt an. „Liebst du mich? Sag ehrlich, bitte.“ „Du wurdest nicht befördert, oder ?“ „Nein....wurde ich nicht. Ich war nicht bereit auf seinen....Vorschlag einzugehen. Wo gehst du denn hin?“ Er zog seinen grauen Anzug an, griff nach dem schwarzen Aktenkoffer mit einem seiner Roman Manuskripte, und stand kurz darauf im Türrahmen. Zögerlich drehte er sich um, sein Gesicht war gänzlich frei von Emotionen. „Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube nicht dass da noch viele Gefühle für dich sind....ich muss darüber nachdenken.“ Natürlich war ihm klar, dass er keine Sekunde an solch triviale Gedanken verschwenden würde. Noch bis er die Haustür hinter sich schloss, spürte er ihren Blick im Nacken. Es war ein matter, schwacher, allmählich verlöschender Blick.
Seine Werke wurden nicht von der breiten Öffentlichkeit gelesen, was auch nicht weiter verwunderlich war, wurden sie doch ausschließlich von einem regionalen Verlag veröffentlicht und sprachen zudem keine all zu große Zielgruppe an. Seine wenigen Kritiker warfen ihm vor, er versuche Gesellschafts Romane zu schreiben und dramatische Schicksale zu schildern, verfange sich dabei jedoch zu sehr in Widersprüchen, kratze nur an der Oberfläche des ganzen, und vermittle nur ein tiefes Gefühl der Gleichgültigkeit. Er gab ihnen Recht. Schließlich betrieb er sein Hobby mit absoluter Seelen- und Interessenlosigkeit, ein Faktum, das sich eben auch zwischen den Zeilen niederschlug. Gelangweilt sah er in den trüben, wolkenverhangenen Morgenhimmel. Dem vorherigen Tag gleichend, regnete es seit Stunden ununterbrochen. Die unzähligen Wassertropfen benetzten seinen Anzug und legten sich wie ein sanfter, geschwungener Teppich über sein Haar. Jedes Haus, das aus dem Nebel vor ihm auftauchte, schälte sich nur sehr langsam, fast schon widerwillig aus den weißen Schwaden. Der Anblick war deprimierend. Wasser sammelte sich in den Regenrinnen, und lief in einem einzigen Strom zu Boden., die Gärten schienen von den Fluten ertränkt zu werden, alle Fensterläden waren geschlossen. Es überraschte ihn nicht, dass auch SIE bei diesen Bedingungen wieder auftauchten. Die Rosenmänner. Allerdings waren sie diesmal nicht alleine, ihnen zur Seite standen die unförmigen Dinge, die er hasste. Sie wanden sich um die großen, kelchförmigen Blütenblätter, wie Kletterpflanzen um einen massiven Baumstamm. Die Haut der Wesen war wesentlich trockener als sonst, zeigte sogar kaum sichtbare Risse. Doch er ließ sich durch diese Ansammlung an merkwürdigen Dingen nicht irritieren, er ging weiter unbeirrt seinen Weg, und wies sie von sich. Und tatsächlich, er glitt durch sie hindurch, ohne einen Keil zwischen ihre verwaschenen Konturen zu treiben. Er war sich darüber im Klaren, dass man sein Buch ablehnen würde. Als er Kapitel 8 verfasst hatte, war er schlechter Laune gewesen, und hatte eine brutale Mordszene eingebaut. Seine Frau hatte ihm damals davon abgeraten, doch ihre Meinung war für ihn noch niemals von Belang gewesen. Endlich lichtete sich der Nebel und ein gewaltiger Quader stieß seine Form gen Himmel. Das Verlagsgebäude. Als er die Eingangshalle durchquerte, ließ es sich die Dame an der Rezeption nicht nehmen ihn zu grüßen. Achtlos hob er die Hand, in der Hoffnung sie würde ihn dann in Ruhe lassen. Er durchquerte einige Gänge und nahm so manchen Umweg, bis er schließlich vor dem Büro des Verlagsleiters stand, Mr. Fuji Onawa. Langsam drückte er die Türklinke herunter, wissend, dass er umsonst hierher gekommen war.
Das Gesicht von Mr. Onawa wollte sich einfach nicht ausbilden. Seine Nase erschien halbfertig, seine Augen...ja, seine Augen waren leer. Und der Mund war nur ein wehendes Fähnchen, das auf seinem Gesicht nutzlos hin und her wehte. Als er nun zu sprechen begann, öffnete sich ein kleiner Riss in dem Papier, aus dem hohle Worte zu ihm drangen. Es waren inhaltsleere Fetzen, die ihn nicht wirklich erreichten, sie schwebten wie einzelne Blätter im Wind um ihn herum, während er auf die wild gestikulierende, leere Fratze des Mannes vor ihm starrte. „Ich kann es also wirklich...beim besten Willen nicht...verlegen. Überarbeiten sie es, machen sie es massentauglicher, dann vielleicht..“ Endlich hörte das Ding auf zu reden. „Ich habe verstanden,leben sie wohl.“ Er wusste, dass er dieses Gebäude nie mehr betreten würde.
Teilnahmslos beobachtete er, wie die Manuskriptblätter den Fluss hinunter schwammen, begleitet vom unaufhörlichen Regen. Er war vollständig durchnässt, doch er spürte die sich in ihm ausbreitende Kälte nicht. Seine Augen waren selbst in dieser Situation absolut glanzlos....jedes Licht war schon vor vielen Jahren aus ihnen verschwunden. Er war sich sicher, dass es das letzte Manuskript gewesen war. Er hasste es zu schreiben, hatte es nur als Vorwand benutzt, um nicht wirklich arbeiten gehen zu müssen. Es gab also auch Rosenfrauen. Zunächst war es eines der unförmigen Dinger gewesen, die ständig an ihm vorbei liefen, nun wandelte es sich zu einem eigenständigen Gewächs, ohne Dornen, am ganzen Körper von roten Blütenblättern umschlungen. Nur zögerlich lösten sich seine Lippen von denen seiner Frau, jener wunderbaren Rosengestalt, die ihn aufgesucht hatte. „Du bist mir gefolgt.“ „Ich hatte Angst um dich...du bist immer so schrecklich niedergeschlagen, wenn sie eine deiner Ideen ablehnen, und es hat mir leid getan...dass ich deinen Wunsch, Schriftsteller zu sein, nicht respektiert habe....“ Ahnte sie überhaupt was sie da redete? Und wieso entschuldigte sie sich? Er hatte mit einer anderen Frau geschlafen, und alles getan um sie zu verletzen, dennoch war sie es, die ihn um Verzeihung bat. Sie liebte ihn wohl wirklich. „Schon gut...ich habe nur etwas...nachgedacht. Über alles. Du weißt schon.“ Sie sah ihn besorgt an, legte den Arm um ihn und führte ihn durch den dichten Regen. Mit ihr an seiner Seite schienen die Rosenmänner seine Gegenwart zu meiden, auch die unförmigen, grotesken Kreaturen verbargen ihre Existenz. Sie hatte keine Kopfbedeckung dabei...der Regen ergoss sich auf ihre ungeschützten langen Haare. Mit einem Mal, wohl zum ersten Mal in ihrer Ehe, erschien sie ihm wie ein Engel, ein Engel ohne Lichterkranz, dessen natürliche Erhabenheit ausreichte. Gleichwohl empfand er keine Liebe für sie. Er war einfach nicht dazu fähig, dieses Gefühl....überhaupt ein Gefühl … in seinem Herzen zu verspüren. Tanakeru lebte einzig und allein für sich selbst, daran war nichts zu ändern, und es würde sich wohl auch niemals ändern. Zuhause, in ihrer warmen, behaglichen Wohnung, liebten sie sich. Für sie war es wohl das Zeichen, das zwischen ihnen wieder alles in Ordnung war, doch er wusste, dass es nichts zu bedeuten hatte. Jedes Ehepaar liebte sich hin und wieder, das war nichts ungewöhnliches. Wie so oft in den vier Jahren ihrer Ehe fragte er sich, wieso er sie geheiratet hatte. Zu keinem Zeitpunkt ihrer Ehe hatte er jemals so etwas wie Liebe für sie empfunden. Sicher, eine hin und wieder aufkommende Zuneigung...aber niemals mehr. Würde sie wissen wie er dachte, sie hielte ihn sicher für einen Teufel in Menschengestalt. Er zog sich die Decke über den Oberkörper und starrte an die Decke. Morgen würde er in die Stadt gehen...er war seit 5 Wochen nicht mehr weiter als bis zu Niomis Haus gekommen. Tanakeru fühlte, dass die Rosenmänner ihn töten würden, würde er seine Existenz noch länger auf einen räumlich derart kleinen Bereich reduzieren. Sie würden ihn mit ihren knorrigen Ranken packen und auspeitschen, ihm das ganze Blut aus dem Körper saugen, und ihn als toten, ausgedörrten Leichnam zurücklassen. Niemand würde um ihn trauern, alle wären froh darüber, dass eine weitere, bedeutungslose Existenz aus dem Leben geschieden war. Seine Frau....ja, sie würde Tränen in großer Zahl vergießen, wenigstens in der ersten Zeit. Doch dann...dann würde auch sie ihn vergessen haben, und alles was er jemals gewesen war, in der Bedeutungslosigkeit versinken. Er schreckte auf, sein Oberkörper triefte vor Schweiß. Nein...er konnte einfach nicht so entsetzlich unbedeutend sterben. Wenigstens einen einzigen Sinn musste sein Leben doch haben, und wenn es nur der war, anderen durch seinen eigenen Tod weh zu tun. Es musste einfach möglich sein, seiner Existenz so einen Wert zu geben. Tanakeru bedeckte sich wieder völlig und drehte seinen Kopf in Richtung seiner Frau. Er beobachtete sie, wie sie leise atmete und still schlief. Und dann wusste er, dass er bald sterben würde.
Die Stadt bestand aus nichts als Ödnis. Diese äußerte sich in Form der gewaltigen, grauen Betonklotze, die sich bis in den Himmel erhoben, und die Wolkendecke durchbrachen. Sie waren in den belanglosesten Farben bemalt, ausschließlich grau und schwarz Töne, während die Fensterläden sich allesamt glichen. Menschen ohne Gesicht eilten durch die chaotischen Straßen und Gassen, stets mit etwas sehr wichtigem beschäftigt, wie es schien. Selbst deren Kleidung war vollkommen gleich. Immer dasselbe, einfallslose grau. Zu alledem kam noch der ewig währende Regen, der die leblosen Straßen und Häuserschluchten mit seinem monotonen Fallen erfüllte. Tanakeru stand kurz vor einem Kaufhaus und betrachtete das Gebäude. Grau, natürlich. Glatte Fassade, absolut einfallslos. Weshalb war er hier? Er könnte jetzt in seinem Schlafzimmer neben seiner Frau liegen, sie könnten sich lieben....doch es hatte ihn hierher gezogen, in die Stadt. Fügte er sich nicht wunderbar hier ein? Schließlich war auch er vollkommen unscheinbar, ein unbedeutender Niemand. Anstatt das Kaufhaus zu betreten, lenkten ihn seine Schritte in Richtung eines Imbiss Standes. Der Duft von frittiertem und der Gestank von ranzigem Bratfett stiegen ihm in die Nase. Das Schild, das das „Menü“ aufführte, war vergilbt, die Schrift in weiß geschrieben und unleserlich. „Bitte einmal Nudel Ramen mit Curry.“ Seine eigene Stimme hörte sich an wie ein leises Flüstern. Der Mann hinter dem großen Herd drehte sich um. Seine Gesichtszüge waren verschwommen und unklar. Es schien Tanakeru wie ein klobiger Klotz zu sein, geformt aus wandelbarem Schleim. Es dauerte nicht lange, bis er die Nudeln in einer dreckigen Pappe Halterung entgegennahm. Unwillig stieß er die den Löffel hinein, und spießte ein Stück Rindfleisch auf seine Plastikgabel. Während er das Fertigessen kaute, und schließlich hinunterschluckte, dachte er an seinen Vater. Wieso dachte er an ihn? Er hatte ihn vor Jahren im Stich gelassen, seine Mutter zum Tode verdammt. Und ihn zu einem gefühllosen Menschen gemacht, der nicht fähig war, irgendwelche Gefühle für irgendjemanden zu empfinden. Mit Ausnahme von Hass. Hass gegen den Mann, der ihn zu diesem unglücklichen Dasein verdammt hatte. Doch der plötzliche Schub ungewohnter Emotionen verwirrte ihn...es dauerte nicht lange und er kehrte zu seinem alten Zustand zurück. Er stopfte sich eine weitere Portion Nudeln in den Mund. Vielleicht...vielleicht sollte er mit den Rosenmännern gehen. Er stellte sich vor, wie er an ihrer Seite durch den Regen schreiten würde, mit sich selbst im Einklang, und auf die weltlichen Dinge verzichtend. Ihre roten Blüten würden ihn umschließen, seine Seele auf den durchnässten Stielen dahingleiten, in eine neue Richtung. Natürlich würde er damit seine Frau verletzen....doch das war ihm egal. War es nicht wichtig, was er selbst wollte? Ja...zudem duldeten die Rosenmänner sicher keine Rosenfrauen unter sich. Er wunderte sich, dass er weder Rosenmänner, noch Rosenfrauen durch den Regen spazieren sah. Lediglich die unbedeutenden Kreaturen, die diese Stadt bevölkerten, manche klar aber belanglos, manche unförmig und widerwärtig, aber dennoch belanglos. Ihm wurde bewusst, dass er mittlerweile seine Nudel Ramen gegessen hatte...und er allein in den Straßen stand, komplett durchnässt vom Regen. Die Regentropfen hüllten ihn in ein empfindsames Kleid, und ließen ihn zu einem Teil des großen Ganzen werden. Langsam schritt er voran, in Erwartung irgendwelche Gestalten zu Gesicht zu bekommen. Doch sein Blickfeld blieb frei von Irritationen. Es schien, als sei die Stadt nicht in der Lage, all die seltsamen Dinge wahr werden zu lassen, die ihm so wahr erschienen, so also offenbarte sich ihre ganze Beschränktheit. Vollkommen von Nässe überlagert, lag er in einer kleinen Gasse, und starrte auf die endlosen Weiten des Nichts. Endlich teilten sich die Wogen, und ein Mann ragte über ihm auf, ein Mann wie ein wahrhaftiger Turm. Sein Gesicht...es war nicht verschwommen, oder nicht vorhanden, doch in Tanakerus Vorstellung wollte sich einfach kein Abbild erzeugen. Was er sah war der schwarze Anzug, das glatt gekämmte graue Haar. „Du sitzt hier so alleine. Es muss schrecklich einsam sein.“ Tanakeru hörte den Spott aus der Stimme des Mannes, und antwortete ihm nicht. „Allein gelassen von der Welt, ziehst du dich in deine eigene zurück, wie ein kleiner Wurm.“ „Mag sein.“ „Weshalb also verbleibst du in unserer Welt? Sie hat keinen Platz mehr für dich.“ Mit mattem Blick sah er den Mann an. „Was wollen sie damit also sagen?“ Endlich bekam der Mann ein Gesicht. Doch im selben Moment, in dem Tanakeru es wahrnahm, hatte er es bereits wieder vergessen. „Ganz einfach. Bring dich um. Geh nach Hause und schneid dir die Pulsadern durch. Blute die Badewanne voll wie ein angestochenes Wildschwein, beende deine armselige Existenz.“ „Vielleicht wäre es das Beste.“ „Nicht nur vielleicht, mein Junge. Es würde all deine Sorgen lösen.“ „Ich denke darüber nach.“ Natürlich hatte er auch schon vor dem Besuch dieses Mannes an einen freiwilligen Tod gedacht. Es schien unter japanischen Schriftstellern ja geradezu eine Tradition geworden zu sein, Suizid zu begehen. Der erste Gedanke an Selbstmord, hatte sich vor 10 Jahren in seinen Kopf geschlichen, damals, als sein Vater sie verlassen hatte. 12 Jahre alt war er damals gewesen. Er sah auf und stellte fest, dass ihm der Mann ein Messer reichte. „Wieso warten...“ flüsterte er. „Tu es jetzt, hier, an Ort und Stelle. Das Leben...es ist in den letzten Jahren doch zu einer einzigen Qual für dich geworden, oder nicht?“ „Ich wüsste gerne was sie sind....sie scheinen nicht zu den Dingen zu gehören...“ „Wer weiß das schon? Ich könnte so vieles sein...ein hinterhältiges Monster, dass dich in den Tod treiben will...oder ein Todesbote...“ „Vielleicht sind sie auch einfach nur eine Illusion, eine Metapher, die meine Gedankengänge verdeutlichen soll, und zugleich für die Trostlosigkeit und Ödnis dieser Stadt steht.“ Der Mann sah stumm in den von Wolken verdeckten Himmel. Schließlich antwortete er: „Das ist durchaus möglich, ja. Eine faszinierende These.“ „Doch dann...wäre ihre Existenz null und nichtig, ebenso unbedeutend wie meine. Es gäbe keinen Grund für sie...noch länger in diesem Universum zu existieren. Vielleicht sind sie es, der sich umbringen sollte. Möglicherweise würde mich das dazu bewegen es ebenfalls zu tun, vielleicht würde es aber auch das Gegenteil erzielen. Wie auch immer, sie hätten dabei doch nichts zu verlieren nicht wahr?“ Tanakeru musste nicht aufsehen, um festzustellen dass der Mann verschwunden war. Gut möglich, dass er nie existiert hatte. Schwerfällig richtete er sich auf, indem er sich mit dem Ellbogen an der Hauswand abstützte, und verließ die dunkle, vom Regen durchnässte Gasse. Einige Minuten später saß er erschöpft, und völlig durchnässt, auf dem Sitz einer Bahn, die ihn wieder nach Hause bringen sollte. Kraftlos lag sein Gesicht an der Fensterscheibe, durch die er auf die immer kleiner werdende, sich in sich selbst zurückziehende Stadt schauen konnte. Langsam stieß er die Luft die er einatmete wieder aus, sein Brustkorb hob und senkte sich. Weshalb war er überhaupt in die Stadt gegangen? Beim Gedanken an den Mann, und die Gedanken die dieser in ihm geweckt hatte, zitterte er vor Einsamkeit, und dann brachen für einen Moment seine Gefühle aus ihm heraus. Eine Träne lief seine Wange herab, und für diesen kurzen Moment waren seine Gedanken klar, und nicht von den düsteren Schleiern der Vergangenheit verhüllt. Für diese kurze Zeit war er wieder Tanakeru Sozome, der kleine Junge, der nichts lieber getan hatte, als mit seinem Vater durch die Stadt zu laufen. Der kleine Junge, der kurz darauf von seinem Vater im Stich gelassen worden war und auch noch seine Mutter verloren hatte. Er sah sich selbst mit Abscheu...einen Mann der mit 20 Jahren eine Frau geheiratet hatte, die er nicht liebte, und nicht fähig war, seinen Mitmenschen irgendein Gefühl entgegenzubringen, der seit seinem 12. Lebensjahr an Selbstmord gedacht hatte. Während langsam die ersten kleinen Häuser in Sicht kamen, wurde er wieder von seiner dunklen Seite überschattet. Seinem einzig wahren Ich. Auch der ewig währende Regen setzte wieder ein, und verdrängte mit seinen Wolken auch noch den letzten Sonnenstrahl. Und als Tanakeru bei der Einfahrt am Bahnhof an einem der Regenmänner vorbeilief, war er wieder er selbst.
Unter dem warmen Wasserstrahl der Dusche, schüttelte Tanakerus Körper den grauen Dunst ab, der sich in der Stadt auf ihn gelegt hatte, wie ein undurchdringlicher Teppich. Er fuhr mit den Händen durch die Haare, streifte sie nach hinten, und rieb sie mit dichtem Schaum ein. Exakt eine viertel Stunde später trat er aus der Dusche und rieb seinen Körper trocken, auf einen Föhn verzichtete er. Mit durchnässten Haaren warf er sich auf das eheliche Bett und richtete die Augen ins Nichts. Plötzlich bemerkte er, dass seine Frau nicht neben ihm lag. Das beunruhigte ihn, es war ein Störfaktor in seinem sonst so geregelten Tagesablauf. Dann streifte sein Blick die Uhr, und ihm wurde bewusst, dass er nicht einmal zwei Stunden in der Stadt verbracht hatte. Es war 10 Uhr morgens. Doch er fühlte sich, als habe er einen langen, anstrengenden Tag hinter sich, der mehr an seinen Kräften gezehrt hatte, als jemals zuvor. Langsam setzte er sich aufrecht auf sein Bett, starrte auf die Schlafzimmertür, als würde dort jeden Moment jemand hereinkommen. Er war sich fast sicher, dass die Tür mit einem Mal verschwunden sein würde, um einem von ihnen Platz zu machen. Einem der Rosenmänner, die unter diesen Bedingungen prächtig gedeihten, da war er sich sicher. Sie würden ihn mit ihren Ranken umwickeln, und das Leben aus ihm heraus pressen. Konnte es nicht schon jetzt so weit sein? Die Tür glitt zur Seite...doch nicht die Rosenmänner betraten den Raum, sondern der Mann aus der Gasse. Seine Kleidung war schmutzig, seine Haare wild durcheinander gewirbelt, und sein Gesicht an so mancher Stelle blutverkrustet.
„Ich habe versucht mich umzubringen. Aber es ist mir nicht gelungen.“ Tanakeru wunderte sich nicht im geringsten, dass ihm seine Vorstellungskraft abermals einen Streich zu spielen schien. „Scheint als wollten sie es gar nicht wirklich...oder nicht?“ „Sie werden sterben.“ „Ich weiß, das ist jedem Menschen vorherbestimmt.“ „Aber du wirst keines natürlichen Todes sterben, deine Existenz endet kalt und abrupt.“ „Ist das so? In dem Fall...werde ich mich damit abfinden müssen denke ich. Wie werde ich denn sterben?“ „Hah....das weißt du doch bereits ganz genau. Nur deshalb sind dir keine Rosenmänner mehr erschienen. Such sie doch, vielleicht zeigen sie sich dir ein letztes Mal.“ Ohne weitere Worte des Mannes abzuwarten, verließ Tanakeru das Haus, und sah auf die Straße, die direkt unter der senkrecht stehenden Sonne zu schweben schien. Der Regen hatte aufgehört, stattdessen war ein dichter Nebelschleier über die Welt gekommen. Und dann sah er sie. Die Rosenmänner. Doch ihre anmutige Gestalt schien in sich zusammengesunken, ihre sonst so wunderbaren roten Blätter waren verdorrt, und rissig, ihre Ranken spröde und trocken. Er wusste was passiert war. Der fehlende Regen hatte ihnen jede Energie zum Leben genommen, aber ihnen auf diesem Weg auch zu einer Entscheidung verholfen. Sie hatten die regenbeschwerte, trostlose Welt hinter sich gelassen, und sich dem Tode hingegeben. Eine Träne zwang sich aus seinen Augen, und er lächelte. Das erste Lächeln seit 10 Jahren. Dann sank er langsam zu Boden, während die Tränen mit dem Boden verschmolzen. Der Nebel lichtete sich, und er lag da, badend in seinem eigenen Blut, das von der Schnittwunde austrat, die er sich an der Pulsader gemacht hatte. Das Blut war von einem Rot....das dem Rot eines Narzissen glich.
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| MrĐevilfЯuit OPM-Urgestein
Beiträge : 3975 Kopfgeld : 1887929 Dabei seit : 06.11.10 Ort : Southern Airtemple
| Thema: Re: Schlaf (One-Shot) Mi 4 Jul - 21:42 | |    
| Hey. Also ich finde dein "One-Shot" sehr cool, vorallem das es nicht normale deutsche sind, sondern mal etwas anderes ! Ich habe jetzt nur den ersten Teil gelesen, aber natürlich werde ich alles lesen. Der Stil gefällt mir sehr gut. In den einen Teil ist mir ein Rechtschreibfehler aufgefallen (was aber überhaupt nicht schlimm ist ^^)
es, wie die das kühle Getränkt seine Kehle herunterrann, und ihn
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| Nico Robin x3 Rookie
Beiträge : 525 Kopfgeld : 1376602 Dabei seit : 02.12.11 Ort : In the best village ever^^
| Thema: Re: Schlaf (One-Shot) Do 5 Jul - 16:13 | |    
| hey Hisoka Ich finde deinen One- Shot einfach nur Spitzenklasse! Ist eine total gute Idee. Auf so etwas würde ich im Leben nicht kommen. Da kümmert mich auch so ein Rechtschreibefehler nicht. ^^
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| Onenami25 Super Novae
Beiträge : 910 Kopfgeld : 1340209 Dabei seit : 25.05.12 Ort : Hier und dort
| Thema: Re: Schlaf (One-Shot) Fr 6 Jul - 6:01 | |    
| Hey Hiso Also du wolltest ja ein langes Kommentar - aber ich weis echt nicht was ich an der Geschichte bemängeln soll ;D Ich finde die Idee ebenfalls echt klasse und würde auf sowas nie kommen! Ich glaube schon am Anfang habe ich mir gedacht das er an Selbstmord sterben wird am Ende - woher wusste ich das o.O Mich wundert nur die Stelle mit dem Regenmann-habe ich da irgendwas verpasst o.o ? Alles in allem ist dein One Shot echt klasse und ich möchte auch gern mal so gut schreiben können MfG Onenami25
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| Chirurg des Todes Rookie
Beiträge : 662 Kopfgeld : 1320498 Dabei seit : 30.07.12
| Thema: Re: Schlaf (One-Shot) Sa 29 Sep - 23:02 | |    
| Hallo Hisoka.
Hätte ich früher von dieser Geschichte gewusst, hätte ich sie gelesen. Wenn ich dir eine Lieblingsstelle zitieren soll, müsste ich die gesamte Geschichte kopieren. Ich bin einfach nur begeistert. Einen so guten Schreiber habe ich lange nicht mehr gesehen. Dieses rot... Beim Lesen fragte ich mich, was an diesem rot so bedeutsam ist. Es kommt doch nur einmal kurz so richtig vor. Und dann las ich die letzten Zeilen und alles erklärte sich, es war ein wundervoller Abschluss verbunden mit der wunderbaren Einleitung: rot.
Ich konnte beim Lesen den Charakter fühlen. Als wäre es ich. Ich konnte so gut wie jedes Denken seiner seits Nachvollziehen, jeden Moment seines grauen Lebens. Du hast die Stimmung genauso rüber gebracht, wie sie sein sollte. Grau, trist und düster. Und diese Gleichgültigkeit der Hauptperson. Diese Sätze von dir haben mich beeindruckt. Es passiert bei mir wirklich selten, dass ich alles aus meiner Umgebung abschalte und mich nur auf eine Geschichte konzentriere. Jeder Abschnitt ließ sich fließend lesen und das ganze bleibt wie ein wunderbarer Film in meiner Erinnerung. Wie kann man nur so gut mit Worten umgehen und die richtige Wirkung erzielen.
Der Tod der Hauptperson gefiel mir, auch die schräg geschriebenen Gedanken, die er hat als er mit seiner Frau redet.
Die Geschichte ist traurig. Nur traurige Charaktere kommen vor. Die Hauptperson, die von seinem Vater verlassen wurde und seitdem ein trauriges Leben führte, die Ehefrau, die niemals geliebt sondern nur betrogen wird. Es mag komisch klingen, aber in dieser Hauptperson habe ich eine Person gefunden, die mein Denken etwas teilt. Damit meine ich nicht, dass mir alles gleichgültig ist. Aber Menschen, wie die Mutter der Hauptperson als schwach anzusehen, das konnte ich nur zu gut verstehen weil mir manchmal dasselbe durch den Kopf geht, wenn die zu Netten den Bösen alles durchgehen lassen. Auch die Frage der Existenz hat mich sehr angesprochen. Ein unbedeutenes Leben und ein unbedeutener Tod - das ist es auch, wovor ich am meisten Angst habe. In der Unbedeutungslosigkeit zu versinken, wie jeder andere geboren zu werden, und einfach wieder zu sterben.
Deine Geschichte hat bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ich bin sprachlos.
Liebe Grüße
Chirurg des Todes
EDIT: Wollte auch noch sagen, dass ich beim Lesen erst an Deathnote gedacht habe.
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| LawTrafalger02 V.I.P.
Beiträge : 85 Kopfgeld : 1454993 Dabei seit : 21.03.11 Ort : Österreich
| Thema: Re: Schlaf (One-Shot) Mo 1 Okt - 17:29 | |    
| Hey Hiso!
Also ich kann mich Chirurg des Todes nur anschließen. Dein Schreibstil ist umwerfend. Bei den meisten Geschichten, die aus der Ich-Perspektive geschildert werden, bleibt immer noch eine spürbare Distanz zwischen dem Charakter und dem Leser. Hier verschwindet diese Distanz nahezu komplett. Es ist wirklich unglaublich, wie ich mich in Tanakeru hineinversetzen konnte, obwohl ich selbst ganz andere Gedankengänge habe.
Außerdem finde ich es bemerkenswert, wie du diese Rosenmänner eingebaut hast. Man kann die Geschichte trotz dieser verwirrenden Einschübe einwandfrei weiterverfolgen. Es grenzt wirklich an eine Meisterleistung, dass so etwas Komisches vom Leser nach kurzer Zeit einfach hingenommen und nicht mehr hinterfragt wird. Auch bei der Wortwahl allgemein drückst du dich sehr gut aus. Es gibt nichts, worüber man stolpert oder dergleichen. Du hast ein sehr hohes sprachliches Niveau, ich musste manchmal schon etwas konzentrierter lesen.
Weil ich glaube, dass du den Leser mit deiner Geschichte ein wenig zum Nachdenken bewegen wolltest, habe ich die Geschichte jetzt einen Tag lang wirken lassen. Ich muss sagen, du hast dein Ziel erreicht: Die Rosenmänner symbolisieren für mich mittlerweile die pessimistischen, aber auch die positiven Gedanken aus unserem Alltag. Ähnlich wie Rosen blühen auch meine Lebensfreude auf und verwelkt wieder ein bisschen von Zeit zu Zeit.
Auf jeden Fall ist es dir sehr gut gelungen und ich hoffe, bald noch mehr von dir zu lesen. Du kannst wirklich ausgezeichnet mit Wörtern umgehn!
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| Aces Girl Kapitän
Beiträge : 215 Kopfgeld : 1564417 Dabei seit : 23.03.10
| Thema: Re: Schlaf (One-Shot) Mo 1 Okt - 20:07 | |    
| Hey Hiso ^^ Ich finde dein OS echt Klasse man muss erstmal auf die Idee kommen Wahnsinn mach weiter so ^^
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| Quentin Talentino Jungspund
Beiträge : 39 Kopfgeld : 1267039 Dabei seit : 22.11.12 Ort : Lübeck
| Thema: Re: Schlaf (One-Shot) Di 27 Nov - 23:28 | |    
| Okay, wo soll ich anfangen...erstmal eine kurze Erklärung: Man kann der Geschichte nicht mit einem Kommentar gerecht werden...zumindest nicht mit einem normalen...aber denoch...
Dann, wo soll ich beginnen, ah ja, der Titel...anfangs wirkt er belanglos, aber sobald man das erste Mal den festen Grundgedanken bekommt, wie es ausgehen wird, erhält er sofort eine recht bedeutsame Rolle, die gut von den einleitenden Sätzen unterstrichen wird.
Der Inhalt war in sich durchgehend stimmig, man konnte sich die einzelnen Szenen wirklich bildlich vorstellen, was dem ganzen einen recht eingänglichen Flair gibt. Kein gestörter Fluss, auch nicht bei den Gedanken am Anfang, sie fügen sich gut ins Gesamtbild ein.
Von der Beschreibung seines Umfeldes müssen wir wohl gar nicht anfangen, oder? Auch wenn es eigentlich nur eine entweder verregnete, oder nebelige Stadt war, man stellte sich viel mehr dabei vor als nur das.
Naja, langsam erhält das schärmenden Charakter, daher will ich zum Schluss nur sagen: Es hat mir unglaublich gefallen!
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| Hisoka OPM-Urgestein
Beiträge : 2349 Kopfgeld : 2294476 Dabei seit : 13.07.11 Ort : Knoten des Wahnsinns
| Thema: Re: Schlaf (One-Shot) Do 12 Nov - 14:31 | |    
| Uff wie schön dass ich diese Geschichte hier hochgeladen habe...dachte sie ist für immer verloren!
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| Schnellantwort auf: Schlaf (One-Shot) | |
| Seite 1 von 1 |
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